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BGH, Beschluss vom 12.07.2017, XII ZB 15/16

Der BGH hatte in letzter Instanz einen Fall zu beurteilen, in dem die Erblasserin nach Errichtung ihres Testaments ein beträchtliches Vermögen erlangte. Nun stellte sich die Frage, ob das bereits errichtete Testament weiterhin gültig bleibt, oder ob angesichts der neuen Lage die Erbverteilung neu beurteilt werden muss.

Bereits 2007 verfasste die Erblasserin ein Testament und verfügte, dass ihr Lebensgefährte ein lebenslanges Nutzungsrecht am Haus der Erblasserin haben soll. Nach dem Tod der Erblasserin soll das Haus an die Nichte des bereits vorverstorbenen Ehemannes übergehen. Vorhandene Bar- oder Anlagevermögen soll für die Beerdigung und die Grabpflege verwendet werden.

2015 verstarb ein Bekannter des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin und hinterließ ihr ein beträchtliches Vermögen. Die Erblasserin änderte hierauf nicht ihr Testament und verstarb kurze Zeit darauf selbst.

Nach dem Tod beantragte die Nichte des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin den Erbschein. Dieser sollte sie als alleinige Erbin durch testamentarische Erbfolge ausweisen. Der Bruder der Erblasserin beantragte selbst einen Erbschein, da er der Meinung ist, dass durch die geänderte Situation nun die gesetzliche Erbfolge eintrete.

Das Nachlassgericht gab zunächst der Nichte Recht. Gegen diese Entscheidung legte der Bruder der Erblasserin Beschwerde beim OLG ein. Das OLG entscheid daraufhin, dass auch der Antrag der Nichte zurückzuweisen sei. Sowohl die Nichte als auch der Bruder legten gegen diese Entscheidung gemeinsam Rechtsmittel zum BGH ein.

Der BGH hob daraufhin die Entscheidung des OLG insoweit auf, als der Antrag der Nichte auf Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen wurde. Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass das OLG eine Auslegung des Testaments vornahm, ohne die geläufigen Auslegungsregelungen zu beachten. Das OLG habe zunächst nicht festgestellt, dass es eine planwidrige Regelungslücke im Testament der Erblasserin gegeben hat. Diese ist jedoch Voraussetzung, um eine ergänzende Auslegung vorzunehmen. Allerdings ist auch bei Vorliegen einer solchen Lücke zunächst der hypothetische Wille der Erblasserin zu ermitteln. Auch hierzu fanden sich keine Feststellungen in der Entscheidung des OLG. Erst nachdem der hypothetische Wille ermittelt worden ist, kann anhand dieser Erkenntnisse die Regelungslücke im Testament geschlossen werden.

Im Wesentlichen kommt es bei dieser Entscheidung darauf an, ob die Nichte als Alleinerbin eingesetzt werden sollte. Durch die Übertragung der Immobilie, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes wohl den Großteil des Vermögens darstellte, liege die Vermutung nahe. Allerdings fanden sich in der OLG Entscheidung hierzu keine Feststellungen, sodass der BGH die Entscheidung aufhob.